Bei der elften TEN.-Convention brachte die Gotthardt Healthgroup AG am Abend des 13. Februar 2020 wieder etliche Entscheider der Gesundheitsbranche im Alten Hallenbad zusammen, um sich darüber auszutauschen, wie es um die Digitalisierung im Gesundheitswesen steht. Impulse zur Diskussion lieferten Christian Klose, Leiter der Unterabteilung „gematik, Telematikinfrastruktur, E-Health“ des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und Dr. Ralph Körfgen, Vorstand Arzt-, Zahnarzt- und Apothekensysteme bei der Compugroup Medical SE. Im Fokus ihrer Vorträge stand die Sichtweise des BMG auf die Digitale Gesundheit sowie die Frage, ob die Disruption von Branchen durch Digitalisierung auch im Gesundheitswesen stattfinde.
Heidelberg, den 13. Februar 2020
Manchen mag es so vorkommen, als ob die Digitalisierung im Gesundheitswesen in Deutschland nur in kleinen Schritten vorankommt. Jedoch arbeite das Bundesministerium für Gesundheit mit hohem Tempo an der Zukunftsfähigkeit der digitalen Versorgung. Dies beteuerte Christian Klose, Leiter der BMG-Unterabteilung „gematik, Telematikinfrastruktur, E-Health“, zu Beginn seines TEN.-Vortrags. Es sei wichtig zu wissen, was die Triebfeder des BMG sei, um zu verstehen, wie sich die kleinen Schritte dynamisch zu einem großen Puzzle zusammenfügen. „Unsere Philosophie ist: Zuhören, Verstehen und Umsetzen.“, erklärt Klose. Es sei wichtig, den ‚Painpoint‘ der Menschen zu verstehen. Hierzu gebe es institutionalisierte Verfahren, wie ‚Politik trifft Innovation‘, bei denen mit Startups kommuniziert werde, um zu verstehen, welche Erwartungen, Bedürfnisse und Chancen in jungen Unternehmen stecken und um diese regulatorisch zu adressieren. Das Vorhaben, das System zu verändern, sei stets von Geschwindigkeit geprägt, betont Klose. „Die Zeit ist reif, um aufzuholen. Wenn wir das System nicht ändern, wird es sich selbst ändern.“ Dann sei das System nicht mehr zu erkennen – und das gelte es zu vermeiden. Allerdings dürfe bei allem nicht der Nutzen außer Acht gelassen werden: Der Mensch solle stets im Fokus stehen, künstliche Intelligenz (KI) als Unterstützung der Arbeitsprozesse dienen und die Versorgung des Patienten merkbar verbessert werden. Um dies zu erreichen, lägen die strategischen Schwerpunkte des BMG auf dem Ausbau der Infrastruktur und der Telemedizin, der Nutzbarkeit der elektronischen Patientenakte (ePA) und darauf, die Integration von Big Data und KI zu ermöglichen. Eine Sache ist für Herrn Klose dabei klar: „Digitalisierung gelingt nur gemeinsam. Wir müssen schauen, wie wir die Dinge zusammen voranbringen können.“
Folglich müssen noch einige Meilensteine erreicht werden, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu vervollständigen. Doch führt das Erreichen dieser Ziele zu einer vollständigen Disruption der Branche? Dieser Frage widmete sich Dr. Ralph Körfgen, Vorstand Arzt-, Zahnarzt- und Apothekensysteme der Compugroup Medical SE. Als Beispiel einer Branche, bei der die Digitalisierung bereits zu einer vollständigen Disruption geführt hat, nannte Dr. Körfgen die Videothek, welche durch Online-Streaming fast vollständig ersetzt wurde. In anderen Branchen, wie der Deutschen Bahn, wurden nur Teilprozesse digitalisiert. Doch wie wird es im Gesundheitswesen aussehen? – Eher Videothek oder Deutsche Bahn? Dies hänge davon ab, wie innovativ eine Branche sei. „Innovationen kommen zustande, wenn große Branchen über großes Budget verfügen, wenn Druck auf eine Branche ausgeübt wird oder wenn eine Branche durch einen starken Wettbewerb geprägt ist“, erklärt Dr. Körfgen. Dass es in der Gesundheitsbranche Innovationen geben müsse, sei folglich logisch, doch hänge es auch davon ab, ob Innovationen von der Mehrheit der Anbieter und der Bevölkerung angenommen werden würden. Durchgesetzt hätten sich bereits Innovationen, die dem Praxismanagement dienen. Dieser Bereich würde auch zukünftig noch weiter ausgebaut, unter anderem durch die Einführung der Videosprechstunde oder des e-Rezepts. Dass Innovationen für die Unterstützung der ärztlichen Arbeit an Fahrt aufnehmen, ist ebenfalls zu erkennen. Jedoch steht noch in der Diskussion, ob ärztliche Arbeit vollständig bzw. teilweise ersetzt werden können. Hier sei eine Prognose nur schwer möglich. „Die Gesundheitsbranche liegt irgendwo zwischen Videothek und Deutsche Bahn.“, zieht Dr. Körfgen sein Fazit. „Wir werden viele Innovationen sehen, die nicht die ganze Branche disruptieren, jedoch Teile der Branche ersetzen werden.“
Bei der anschließenden TEN.-TED.-Befragung wurde vor allem die ePA stark diskutiert. 65% des Plenums haben zwar keine Bedenken bei deren Einführung und hoffen, dass sie endlich kommt, doch war es nach wie vor nicht klar, was genau in der ePA steht und wie sie dem Patienten zu Gute kommt. Dass personalisierte Medizin durch stärkere Datenanalyse gefördert wird, war für 60% der Befragten keine Frage, jedoch herrschte eine große Meinungsverschiedenheit darüber, ob die Gesundheitsbranche vollständig disruptiert wird. Hier stimmten 45% der Teilnehmer für ein eindeutiges „ja“ und 40% der Teilnehmer für ein „jein“. Damit ist klar: Disruption wird auch in der Gesundheitsbranche stattfinden – in welchem Ausmaß sie eintrifft, ist jedoch noch nicht vorhersehbar.
Die Gotthardt Healthgroup AG bietet mit der TEN.-Convention Entscheidern der Gesundheits- und Pharmabranche eine Plattform, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren und Projekte zu initiieren. Die nächste Veranstaltung findet am 24. September 2020 im Alten Hallenbad Heidelberg statt. Weitere Informationen finden sich unter www.twitter.com/TEN_Event und auf https://www.ten-event.de/.
Dass das Zusammenspiel von Mensch und Technologie von hoher Bedeutung ist, zeigt sich auch an der App Preventicus. „Wenn neue digitale Technologien keinen Schulterschluss zur ärztlichen Versorgung hätten und nicht in bestehende Behandlungspfade integriert wären, können sie nicht den vollen Mehrwert für die Gesundheitsversorgung bringen“, bestätigt Dr. Thomas Huebner, Gründer und Geschäftsführer von Preventicus. Deshalb sei es der Anspruch der Preventicus GmbH, effektive Lösungen für die Prävention und das Management von Herz- und Kreislauferkrankungen zu schaffen und diese in medizinische Versorgungsprogramme unter Einbeziehung von Krankenversicherungen, Telecare-Zentren und Kardiologen zu integrieren. „Bei drei von vier Betroffenen reicht ein Langzeit-EKG nicht aus, um sporadisches Vorhofflimmern zu erkennen. Allerdings ist dieses unerkannt und untherapiert eine der Hauptursachen für Schlaganfälle“, so Dr. Huebner. Die als digitales Medizinprodukt der Klasse IIa zertifizierte App ‚Preventicus Heartbeats‘ solle daher die Versorgungsprogramme zur Schlaganfallprävention unterstützen, indem sie per Smartphone-Kamera oder Wearable den Puls analysiere, unentdeckte Herzrhythmusstörungen identifiziere und somit dem Arzt helfe, Schlaganfallrisken frühzeitig zu erkennen. Dabei realisiere das Preventicus Versorgungsmanagement den vollständigen Prozess vom Screening in Risikogruppen bis zur Diagnostik und Therapieempfehlung durch Kardiologen.
Auch durfte in neuer Kulisse die übliche TEN.-TED.-Befragung nicht fehlen. Hier wurde heiß diskutiert, ob und inwieweit es die Aufgabe der Krankenkassen sei, die digitale Versorgung der Patienten zu gestalten. Die Rolle der Krankenkassen wurde betont, aber auch dass der Einsatz von medizinischen Apps von Ärzten verordnet und begleitet werden sollte. Konsens war ebenfalls, dass es einen offenen Markt für Gesundheits- und Medizin-Apps geben muss mit klaren Regeln für Sicherheit und Wirksamkeitsbeurteilung. Ob durch das Digitale Versorgungsgesetz nun Tempo in den Markt komme, beantworteten nur 10 % der Befragten mit einem klaren nein. Der Rest war geteilter Meinung. 40% waren sich sicher, dass der Markt für E-Health-Startups ab jetzt attraktiver wird, während 50% sich nicht sicher waren, ob Ärzte zukünftig tatsächlich Apps verschreiben werden. Ein passendes Abschlusswort fand Prof Straub: „Egal ob Fluch oder Segen – wenn wir uns engagieren und mit Digitalisierung befassen, dann kann sie großen Nutzen für die Patienten bringen.“
Die Gotthardt Healthgroup AG bietet mit der TEN.-Convention Entscheidern der Gesundheits- und Pharmabranche eine Plattform, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren und Projekte zu initiieren. Die nächste Veranstaltung findet am 13. Februar 2020 wieder im Alten Hallenbad Heidelberg statt. Weitere Informationen finden sich unter www.twitter.com/TEN_Event und auf https://www.ten-event.de/.